Christoph Harting - Ein Olympiasieger eckt an (2024)

Christoph Harting sorgte im Vorfeld der WM mehr mit irritierenden Aussagen als mit sportlichen Höchstleistungen für Aufmerksamkeit. Nach seinem sensationellen Olympiasieg von Rio, mit dem der 29-Jährige aus dem langen Schatten seines Bruders Robert getreten war, gelang dem sperrigen Athleten bei großen Meisterschaften nichts mehr.

Der Durchbruch von Christoph Harting hatte lange auf sich warten lassen. Mit noch besseren körperlichen Voraussetzungen gesegnet als sein großer, mittlerweile in die Sportlerrente verabschiedeter Bruder, mangelte es dem Talent an der absoluten Kämpfermentalität. Dieser unbedingte Wille hatte Robert Harting, zu dem Christoph Harting ein berüchtigtes Nicht-Verhältnis pflegt, im Laufe seiner außergewöhnlichen Karriere ausgemacht. Doch als der Erfolg schließlich kam, kam er mit Macht: Bei den Sommerspielen 2016 holte der Berliner bei seinem Olympia-Debüt sensationell mit persönlicher Bestleistung von 68,37 m Gold.

"Hormon-technisch völlig übersteuert"

Schon seinerzeit demonstrierte der 2,07-m-Hüne nicht nur seine außerordentlichen Anlagen als Athlet, sondern auch die Eigenwilligkeit seines Charakters: Bei der Siegerehrung gab es als Zappelphilipp ein peinliches Bild ab, entschuldigte sich jedoch im Anschluss, er sei "hormon-technisch völlig übersteuert" gewesen: "Wenn ich jemandem auf dem Fuß getreten bin: War nicht so gemeint, es tut mir leid." Streitbar, arrogant und wenig authentisch - der Eindruck, den er bei der olympischen Siegerehrung hinterließ, trug dieses Bild dennoch in die Öffentlichkeit.

WM 2017 und Heim-EM vermasselt

Sportlich wirft Harting seither dem Niveau seines Olympia-Coups hinterher. Die jüngsten beiden Großereignisse vermasselte er: Das Ticket für die WM 2017 verpasste Harting, bei der Heim-EM 2018 in Berlin schied er in der Qualifikation aus. Dreimal blieb die Zwei-Kilo-Scheibe im Netz hängen. Ein Debakel. "Christoph hat seit Rio keinen Erfolg mehr gehabt. Die EM im vorigen Jahr hat ja auch nicht hingehauen. Wenn's wichtig wird, muss er aber auch mal liefern", sagte Trainer Torsten Lönnfors: "Mit der Hypothek der Vergangenheit ist das jetzt eine Herausforderung für uns."

DM: Kein gültiger Versuch und ein Rüffel

Ob das ausgerechnet bei der Wüsten-WM gelingt? Zweifel sind in Anbetracht der Vorleistungen angebracht, denn auch bei den deutschen Meisterschaften gelang dem gebürtigen Cottbuser kein gültiger Versuch. Eine Tatsache, die ihn scheinbar kalt ließ: "Es könnte mir nicht egaler sein." Jedes Stadionfest oder jeder Werfertag in Halle habe "ein deutlich höheres Niveau als diese Meisterschaft". Schon im Vorfeld hatte er konstatiert, es gebe "wenig Unbedeutenderes als einen deutschen Meistertitel" und zudem die Teilnahme-Pflicht an der DM im Hinblick auf internationale Einsätze als "letzte Erpressungsmöglichkeit der deutschen Leichtathletik" bezeichnet.

Respektlosigkeiten, die sich der DLV nicht gefallen ließ: Der Verband berücksichtigte den eigenwilligen Athleten, der den Richtwert mit 66,01 m erfüllt hatte, in der ersten Nominierungsrunde für die WM nicht und bestellte ihn zudem einmal mehr zum Rapport. Im Gespräch mit DLV-Generaldirektor Idriss Gonschinska soll er sich dann einsichtig gezeigt haben. "Er hat Besserung gelobt. Und ich denke auf dem Weg zum Erwachsenwerden wird er auch eine tolle Leistung bringen", sagte DLV-Präsident Jürgen Kessing.

Trotz allem: Tokio 2020 und Weltrekord im Blick

Christoph Harting - Ein Olympiasieger eckt an (2)

Derzeit klafft eine Riesenlücke zwischen Wunsch und Wirklichkeit.

Bleibt dennoch die Frage, ob es sich um eine Formschwäche oder gar eine echte Schaffenskrise handelt. Harting habe "eine schwierige Saison" erwischt, sagte Lönnfors, aber dies sei angesichts der immer wieder auftretenden Rückenprobleme seines Schützlings kein Wunder. Harting denkt dennoch an die großen Weiten: "Die 80 Meter bleiben das große Ziel." Seine Bestleistung liegt seit Rio bei 68,37, der 33 Jahre alte Weltrekord von Jürgen Schult knapp sechs Meter weiter. "Dieser maximalen Weitenentwicklung ordne ich alles unter. Dafür verzichte ich auch auf kurz- und mittelfristige Erfolge. Ich muss nicht Europameister werden, ich muss nicht Weltmeister werden. Im Zyklus meiner Leistungsentwicklung ist es wichtiger, weit zu werfen, als Etappenziele mitzunehmen", erläuterte er.Er habe sich schon vor seinem Olympiasieg mit dem Weltrekord auseinandergesetzt. "Der Sieg in Rio gibt mir die Freiheit, mich auf dieses Ziel zu fokussieren."

Das große Schweigen vor Olympia

"Alles" bedeuten dem Bundespolizisten zudem die Spiele im kommenden Jahr in Tokio, wo er seinen Triumph von Rio wiederholen will. Um sich von diesem großen Ziel nicht ablenken zu lassen, kündigte er nach der verpatzten DM an, bis Olympia keine Interviews mehr geben zu wollen: "Ich will mich auf wesentliche Dinge konzentrieren."

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